Einleitung
Wie unsere Anleger wissen, sind die 10 Goldenen Regeln die Leitprinzipien, an denen wir uns bei der Identifizierung von Quality Growth Unternehmen orientieren. Diese Regeln waren bereits Thema vieler Newsletter, in denen wir detailliert auf Merkmale von Unternehmen eingegangen sind, die nachhaltige Gewinnsteigerungen erreichen. Dagegen wird seltener diskutiert, wie viele Unternehmen auf Grundlage unseres Research ausgeschlossen werden, weil sie diese Merkmale eben nicht aufweisen.
Mit den zehn Goldenen Regeln können wir nicht nur Unternehmen identifizieren, in die investiert werden soll, sondern auch definieren, in welchen Fällen die Kriterien für Quality Growth nicht erfüllt sind. Dies mag zunächst selbstverständlich erscheinen und oberflächlich betrachtet kaum der Erwähnung wert sein, aber der Unterschied zwischen den beiden Aspekten ist wichtig und bezieht sich direkt auf den Kern unserer Investitionsziele. Viele Anleger wollen innerhalb begrenzter Zeiträume Renditen in einer bestimmten Höhe erzielen. Der Quality Growth-Investor verfolgt einen anderen Ansatz, indem er nach Unternehmen sucht, die ihre Gewinne nachhaltig steigern können und bei denen das Risiko dauerhaften Kapitalverlusts sehr gering ist, und mit dieser Strategie langfristig überdurchschnittliche Renditen anstrebt.
In diesem Newsletter geht es um die Ausschlusskriterien, die wir bei der Suche nach neuen Kandidaten für unser Anlageuniversum anwenden, und wie diese Kriterien auf unser Ziel ausgerichtet sind, Unternehmen mit ausreichendem, nachhaltigem, profitablem und resilientem Wachstum zu finden.
Ausreichendes Wachstum
Unternehmen mit guten Perspektiven für ausreichendes organisches Wachstum über längere Zeiträume zu finden, ist der erste Schritt in unserem Ausschlussverfahren – dies ist ein wesentlicher Aspekt, da wir der Ansicht sind, dass Gewinne langfristig entscheidend für die Aktienkurse sind. Wenn Unternehmen ihre Gewinne im Laufe der Zeit stetig steigern können, wird ihr Aktienkurs in aller Regel im Laufe der Jahre die gleiche Richtung einschlagen. Mit unseren wachstumsbezogenen Regeln wollen wir dementsprechend Investitionen in Unternehmen vermeiden, die nur geringe oder stagnierende Gewinne und somit auch keine signifikanten Kurssteigerungen erzielen.
Wir konzentrieren uns daher auf strukturell wachsende Branchen mit säkularen Wachstumstreibern und schliessen weitgehend reife Branchen (d. h. solche mit Wachstum auf oder unter BIP-Niveau) aus, z. B. Telekommunikation. Dieser Sektor zeigt deutliche Anzeichen für rückläufige Wachstumsaussichten. Laut Schätzung von McKinsey konnten Betreiber von Telekommunikationsnetzen in den USA zwischen 2007 und 2018 ihre Einnahmen im Median nur um 20 Prozent (1,7 Prozent jährliche Wachstumsrate) steigern.1 Roland Berger schätzte den Anstieg der Umsatzerlöse der zehn grössten Betreiber zwischen 2010 und 2021 auf 3,5 Prozent (jährliche Wachstumsrate).2 Wie zu erwarten ist, hat die Kombination aus geringem Wachstum des Gesamtmarktes, geringer Preissetzungsmacht und wachsender Kapitalintensität in den letzten 10 Jahren zu einer schlechten Entwicklung des Sektors geführt. Der iShares U.S Telecommunications ETF verzeichnet entsprechend in den letzten zehn Jahren nur einen Zuwachs der jährlichen Wachstumsrate von 0,8%3.Wenn also Gewinne langfristig die Aktienkurse beeinflussen, ist die Vermeidung derjenigen Sektoren, die wir als «ex-Growth» bezeichnen, der erste Schritt, um Quality Growth Unternehmen zu finden.
Vorhersehbares und nachhaltiges Wachstum
Wenn wir bei einem Unternehmen die Voraussetzungen für solides Wachstum sehen, stellen wir uns als Nächstes eine entscheidende Frage: Ist von einem nachhaltigen Wachstum auszugehen? Dies ist so wichtig, weil der Wert eines Unternehmens letztlich davon abhängt, ob es langfristig in ausreichendem Masse Cashflows erwirtschaften kann. Bei der Discounted-Cash-Flow-Bewertungsmethode wird der Unternehmenswert hauptsächlich als Endwert erfasst. Der Endwert entspricht dem Barwert aller künftigen Cashflows über den jeweiligen Prognosezeitraum hinaus und kann bei wachsenden Unternehmen sehr hoch sein. Dies gilt insbesondere für Quality Growth Unternehmen, bei denen in unserem Seilern-Universum mehr als 85 Prozent4 ihres Wertes diesem Endwert entsprechen (Der Kurswert kann täuschen). Hohes kurzfristiges Wachstum ist natürlich immer attraktiv, wichtiger für Anleger, die ihre Renditen im Lauf der Zeit kontinuierlich steigern wollen, ist aber die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit des Wachstums.
Aus diesem Grund vermeiden wir Branchen, die unserer Meinung nach weniger vorhersehbar sind oder bei denen die Eintrittshürden nicht hoch genug sind. Eine solche Branche, mit der wir uns kürzlich bereits befasst haben, ist die Halbleiterindustrie, bei der die Unvorhersehbarkeit ihrer Entwicklung auf raschen technologischen Wandel, zyklische Nachfrage, lange Vorlaufzeiten bei der Kapazitätssteigerung, konzentrierte und komplexe Lieferketten sowie geopolitische Faktoren zurückzuführen ist. Entsprechend schwierig sind hier kurzfristige und erst recht mittel- und langfristige Prognosen. Eine Analyse der Gewinnprognosen seit 2005 der 20 grössten im S&P 500 enthaltenen Halbleiterhersteller zeigt eine durchschnittliche Differenz von 100 Prozent zwischen der höchsten und der niedrigsten Gewinnerwartung für die nächsten 12 Monate. Dieser Wert ist mehr als 5-mal höher als im Seilern-Universum (siehe nachstehende Tabelle).
Abbildung 1: Durchschnittliche Differenz in % zwischen Broker-Schätzungen für höchsten und niedrigsten EPS – 1 Jahr im Voraus
Profitables Wachstum
Das Gewinnwachstum ist zwar langfristig ein wichtiger Faktor für die Aktienkurse, aber Gewinn ist nicht gleich Gewinn. Im nächsten Schritt bei unserer Suche nach Quality Growth Unternehmen betrachten wir die Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROIC), um auf dieser Grundlage die Qualität der Gewinne bewerten zu können. Die ROIC sagt uns im Wesentlichen, wie effizient ein Unternehmen sein investiertes Kapital bei der Gewinnerzielung eingesetzt hat. Um im Wert zu steigen, muss ein Unternehmen mit seinen Investitionen mehr verdienen, als die Beschaffung des für die Investitionen eingesetzten Kapitals (entweder Fremdkapital oder Eigenkapital) kostet. Je höher die ROIC, desto besser arbeitet das Unternehmen bei der Erwirtschaftung von Gewinnen und desto wertvoller ist es für seine Aktionäre. Unternehmen mit hoher ROIC über längere Zeit sollten letztlich in der Lage sein, schnelleres Gewinnwachstum zu erreichen. Andererseits sind Unternehmen mit niedriger ROIC bei der Finanzierung ihres Wachstums häufig auf Schulden angewiesen und damit empfindlicher gegenüber Konjunkturrückgängen und Zinserhöhungen. Ausserdem dauert es bei hohen Kapitalinvestitionen häufig eine gewisse Zeit, bis sie implementiert sind und genutzt werden können. Dies kann das Wachstum hemmen, wenn hohe Nachfrage zwischenzeitlich nicht bedient werden kann, und birgt das Risiko des Aufbaus von Kapazitäten, die später nicht mehr benötigt werden.
Aus diesen Gründen vermeiden wir Sektoren mit tendenziell hohem Kapitalbedarf und niedriger oder schlecht prognostizierbarer ROIC, etwa den Energiesektor, Versorger, Grundstoffe oder Immobilien. Besonders letztgenannte Branche ist ein gutes Beispiel für einen Sektor mit strukturell niedriger und rückläufiger ROIC aufgrund der hohen Kapitalintensität. Wie aus der nachstehenden Abbildung hervorgeht, lag die ROIC des Sektors gemäss einer Studie aus dem Jahr 2019 im Durchschnitt des vergangenen Jahrzehnts nur bei 6 Prozent.5 Energie hingegen ist ein Beispiel für eine Branche, in der die ROIC je nach Preis der zugrunde liegenden Rohstoffe erheblich schwanken kann, was längerfristige Prognosen erschwert.
Abbildung 2: Gewichtete durchschnittliche ROIC nach Sektoren seit 2000: Hohe Abweichung ohne Tech-Sektor
Resilienz von Unternehmen
Zu guter Letzt helfen uns unsere 10 Goldenen Regeln bei der Suche nach Unternehmen, die unerwartete wirtschaftliche Rückschläge verkraften können, denn die erleben langfristig orientierte Anleger zwangsläufig irgendwann einmal. In Betracht kommen hierbei etwa Rezessionen, Handelskonflikte, Zölle, Inflationsdruck, Zinserhöhungen, regulatorische Änderungen und gelegentlich sogar so genannte «schwarze Schwäne», die die Wirtschaft schwer und dauerhaft schädigen können.
Es ist zwar nicht möglich, sich vollständig vor diesen Risiken zu schützen. Man kann sie aber unserer Ansicht nach reduzieren, indem man Branchen und Unternehmen meidet, die generell stärker von den zuvor genannten Phänomenen betroffen sind. Der Bankensektor ist besonders empfindlich gegenüber externen Schocks. Unserer Meinung nach sind Banken in mehrerer Hinsicht problematisch für Quality Growth Investoren. Ihr Geschäft ist kapitalintensiv und wird immer stärker reguliert, sie verkaufen standardisierte Produkte und Leistungen, was ihre Preissetzungsmacht einschränkt, und ihre Rentabilität hängt in hohem Mass von den jeweiligen Zinssätzen ab. Doch der Kern des Problems bei den Banken liegt in ihrer Intransparenz. Tatsächlich sind Banken von Natur aus intransparent, und für externe Investoren (und manchmal sogar für Insider) ist die aussagekräftige Einschätzung der Qualität ihrer Kreditrisiken praktisch unmöglich. Die grosse Finanzkrise, die Spar- und Kreditkrise und der jüngste Kollaps der Silicon Valley Bank haben gezeigt, wie Fehler bei der Bewertung solcher Risiken in Verbindung mit unerwartet eintretenden Krisensituationen die Bilanzen von Banken verhageln und schliesslich sogar zu ihrem Zusammenbruch führen können.
Fazit
Quality Growth Investitionen sind per definitionem risikoavers. Investoren mit entsprechenden Strategien verhalten sich wie Marathonläufer, die im Wettkampf immer das höchste dauerhaft durchhaltbare Tempo anstreben. Langstreckenläufer sind in der Regel keine besonders guten Sprinter und verzichten zugunsten der Ausdauer auf kurzfristig hohe Geschwindigkeit. Ihre Markenzeichen sind Gleichmässigkeit und Disziplin Kilometer für Kilometer, nicht aber schnelle Starts mit anschliessender kurzer Höchstleistungsphase.
Um diese Gleichmässigkeit und Disziplin umzusetzen, werden beim Quality Growth Investing häufig Unternehmen und Branchen, denen viele der wichtigsten Merkmale für gute Langfristperspektiven fehlen, ausgeschlossen, auch wenn sie im jeweiligen Moment erfolgreich sind. Wir verringern dadurch das Risiko von Engagements in Unternehmen, deren Wachstum schnell wieder verpufft oder deren hoher Kapitalbedarf dazu führt, dass es teuer ist, an ihrem Wachstum zu partizipieren. Unternehmen und Branchen zu finden, die überdurchschnittlich gute Prognostizierbarkeit bieten und bereits bewiesen haben, dass sie externe Krisen überstehen können, verringert die Wahrscheinlichkeit negativer Überraschungen und erhöht die Chancen auf langfristig hohe Renditen. Indem wir Unternehmen ausschliessen, die unsere strengen Testanforderungen nicht erfüllen, stellen wir die Qualität unseres Anlageuniversums sicher und lassen nur die besten Unternehmen mit den besten Merkmalen zu. Und wie ja auch unser Chairman regelmässig sagt – nur die Besten sind gut genug.
C. Massin,
31. Oktober 2024
1https://www.mckinsey.com/~/media/McKinsey/Industries/Technology%20Media%20and%20Telecommunications/Telecommunications/Our%20Insights/Telecom%20operators%20Surviving%20and%20thriving%20through%20the%20next%20downturn/Telecom-operators-Surviving-and-thriving-through-the-next-downturn.pdf
2https://www.rolandberger.com/en/Insights/Publications/Transforming-telcos-Opportunities-and-models-for-telecom-operators.html#:~:text=Average%20revenues%20for%20the%20top,to%20fiber%2C%20in%20quick%20succession.
3https://www.ishares.com/us/products/239523/ishares-us-telecommunications-etf#chartDialog
4Der Vorhersagezeitraum beträgt fünf Jahre
5https://www.newconstructs.com/wp-content/uploads/2019/06/LongTermTrendsRevealedByOurResearchOnSectorROIC_2019-06-17.pdf
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