Nach vielen Jahren der Frustration und kostspieligen Verluste kamen die Bären am Finanzmarkt endlich auf ihre Kosten. Zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt boten die Rallys an den Aktien- und Anleihemärkten im Jahr 2022 den Anlegern die Möglichkeit, dem Markt den Rücken zu kehren – denn auf jedes Tief folgte eine Rally, die jedoch schnell im Sand verlief und von einer Talfahrt mit Kurs auf den nächsten Tiefstand abgelöst wurde. Auch wenn vereinzelte Sektoren wie der Energiesektor den Anlegern Schutz boten, wurden die Aktienkurse der Unternehmen abgestraft, und zwar unabhängig von ihrer zugrunde liegenden Qualität und ihren fundamentalen Eigenschaften. Anleger, die aufgrund des vernachlässigbaren Risikos von Staatsanleihen in diese Anlageklasse flüchteten, erlitten ebenso bedeutende Verluste. Dies war darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der weltweiten Zentralbanken aggressive Zinserhöhungen vornahm und die Kurse infolgedessen in den Keller rutschten.
Damit erwies sich die uralte Vorstellung, dass Anleihen in einem ausgewogenen Portfolio vor Aktienverlusten schützen, im Jahr 2022 als haltlos.
Im Mittelpunkt der im Berichtsjahr entbrannten Debatte stand die allgemein anerkannte Feststellung, dass die führenden Zentralbanken in den vergangenen zehn Jahren den Preis des Geldes – also den kurzfristigen Zinssatz – auf ein als künstlich wahrgenommenes Niveau gesenkt haben und dass dies durch eine „unsinnige“ Geldpolitik erreicht wurde, die als „quantitative Lockerung“ bezeichnet wird und glücklicherweise inzwischen aufgegeben wurde. Laut dieser Beobachter, die jahrelang ungläubig die stark steigenden Aktienkurse verfolgt hatten, rächten sich im Jahr 2022 die Fehler der Vergangenheit. Nur wenige waren der Ansicht, dass die Geldpolitik von den Rentenmärkten angetrieben wurde und nicht umgekehrt.
Weiterer Gegenstand der Debatten war die Frage, wodurch die weltweit aufflammende Renaissance der Inflation ausgelöst wurde. Einige Beobachter führten an, dass der Inflationsdruck schon lange vor dem russischen Überfall auf die Ukraine erkennbar gewesen sei. Dagegen glaubten diejenigen, die schon länger Putins imperialistische Pläne verfolgten, zum geeigneten Zeitpunkt Energie als Waffe einzusetzen, dass er beim ersten spürbaren Inflationsdruck die Gunst der Stunde genutzt hatte, um in die Ukraine einzumarschieren. In dieser Hinsicht ist es Putin gelungen, eine Reihe wichtiger Beobachter an der Nase herumzuführen. Zudem schaffte er es, dass europäische Politikerinnen und Politiker – allen voran Angela Merkel – sich Russland regelmäßig verbunden fühlten und jetzt den Preis dafür zahlen.
As long-term bond prices began their precipitous decline, the first victims of this trend were so-called long-duration assets, of which quality growth businesses became one of the prime candidates. The share prices of such businesses were placed in the same compartment as tech-heavy so-called growth stocks whose share prices had risen strongly on the prospects of future earnings and in spite of the absence, in many cases, of profits and that are saddled with high levels of debt. Even within the tech space, no difference was made between growth stocks and quality growth businesses whose ingredients and characteristics have long been discussed in these newsletters. The embedded notion of perpetuity of such businesses and the question of where the long-term value comes from were ignored by investors seeking to benefit from the downward momentum of all such share prices.
Mit dem Ende dieses annus horribilis haben sowohl der Inflationsdruck als auch die Inflationserwartungen nachgelassen. Die Energiepreise sind zurückgegangen, die Produktionskosten sind in vielen wichtigen Volkswirtschaften rückläufig, die Lohnpreisspiralen sind noch nicht in dem von den Pessimisten vorhergesagten Ausmaß eingetreten und die Angebotsengpässe haben deutlich nachgelassen, wenn man die Situation mit den Tagen vergleicht, an denen die weltweiten Häfen mit Hunderten von Schiffen überfüllt waren.
Dies ist vermutlich der Grund, warum die Anleiherenditen, die vor zwei Monaten ihren Höchststand erreichten, wieder auf Niveaus gefallen sind, die nach Meinung der Pessimisten immer noch einer negativen Realrendite entsprechen. Optimisten hingegen werden argumentieren, dass die Richtung und das Tempo der Inflation und der langfristigen Anleiherenditen deutlich wichtiger sind als ihr absolutes Niveau, unabhängig von der aktuellen Realrendite.
Viele Anleger haben den Aktienmärkten vor einer Weile den Rücken gekehrt und Zuflucht in den Private-Equity- oder Private-Debt-Märkten gesucht. Da es für solche Anlagen keine tagesaktuellen Notierungen gibt, bleiben auch die Ängste aus, die Mainstream-Anleger bei der Marktbewertung ihrer Investments empfinden. (Wenn es keine Liquidität und keine täglichen Kursnotierungen gibt, können sich das Gefühl der Sicherheit und der vermeintlich sichere Hafen jedoch als Täuschung erweisen.) Da die Stimmung Ende 2022 auf einem bedeutenden Tiefpunkt angelangt ist, verlassen die Anleger die Märkte – unabhängig von schwachen Kursen und fehlender Liquidität. Gleichzeitig könnte die große Bedeutung der weitgehend unregulierten sogenannten Schattenbanken die nächste Hiobsbotschaft darstellen, falls es einen Ansturm institutioneller Anleger gibt, für die sowohl das Private-Equity-Segment als auch der Private-Debt-Markt attraktiv sind.
Die Marktliquidität ist ein komplexes Thema. Es drohte jedoch eine akute Liquiditätsklemme, als die weltweiten Anleiherenditen vor einigen Monaten ihren Höchststand verzeichneten und der externe Wert des als sicherer Hafen geltenden US-Dollar sein extremstes Niveau erreichte. Das hätten die Schwellenmärkte zu spüren bekommen, da sie hohe Schulden in US-Dollar haben und keine rettenden Rohstoffe wie Rohöl und Erdgas produzieren. Doch wie so häufig an den Finanzmärkten kam es so, wie es kommen musste. Es war daher nicht überraschend, dass der US-Dollar nach seinem Anstieg eine Kehrtwende vollzog und sich auf eine Talfahrt begab, die auch am Jahresende noch zu spüren war.
Die abschließende Frage ist nun: Wer hat Recht? Als die Anleiherenditen nicht mehr stiegen und ihren Kurs umkehrten, haben die Zentralbanken ihre Rhetorik, alles Notwendige zu tun, um die Inflation in den Griff zu bekommen, drastisch verstärkt. Selbst der unlängst von der Bank of Japan gebotene Überraschungseffekt scheint abzuklingen. Der japanische Stil und die defensive Rechtfertigung der Maßnahmen zeigen jedoch, dass die Kombination aus vorübergehend dysfunktionalen Märkten und Liquiditätsengpässen zur Folge hat, dass die Botschaften der Zentralbanken heute wichtiger sind als in normalen Zeiten.
Die Rentenmärkte und die Zentralbanken scheinen unterschiedlicher Meinung zu sein – dabei sind diejenigen, die in den ersten Monaten des Jahres als die traditionellen „Anleihenwächter“ agierten, jedoch untergetaucht. Es können indes nicht beide Lager richtig liegen, und solange die Meinungsverschiedenheiten so groß sind, werden auch die Zukunftserwartungen (und Hoffnungen) des Marktes unterschiedlich ausfallen.
Wenn es so kommt, wie es auf den Finanzmärkten schließlich kommen muss, werden die Merkmale von Quality-Growth Unternehmen früher oder später die Oberhand gewinnen, was sich in ihren Aktienkursen widerspiegeln wird. Von besonderer Bedeutung sind das Konzept der Dauerhaftigkeit und die Erkenntnis, dass die Aktienkurse in erster Linie von den erwarteten langfristigen Cashflows in einem Zeitraum von fünf bis zehn Jahren und darüber hinaus angetrieben werden. Unser Anlageteam wird sich in den nächsten Newslettern mit diesen Themen beschäftigen.
Bis dahin wünsche ich unseren Leserinnen und Lesern ein erfolgreiches neues Jahr 2023.
P. Seilern,
30. Dezember 2022
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