Der Berichtsmonat brachte eine erstaunliche Zahl unerwarteter Bewegungen an den Finanzmärkten mit sich. Dazu gehören unerwartet hohe und unaufhaltsam steigende Inflationszahlen in Industrieländern, kräftige Zinserhöhungen vieler Zentralbanken weltweit, die darauf abzielen, den Eindruck zu vermeiden, man würde den Entwicklungen hinterherhinken, lautstarke Ankündigungen aktueller und früherer Chefs führender Zentralbanken, mit denen ihr Ruf als Inflationsbekämpfer zementiert werden soll, der daraus resultierende beschleunigte Baisse-Markt für staatliche und nicht-staatliche Anleihen, das Überschwappen auf Aktienmärkte, Hypothekenmärkte und das Verbraucherverhalten, das zumindest noch monatelang spürbar sein wird, da eine Rezession unweigerlich bevorsteht, die sich weiter verschlimmern wird, Volatilität bei den führenden Währungen der Welt, wie es sie seit dem letzten Jahrhundert nicht gegeben hat, die Zunahme der Kriegsrhetorik in Russland, der Ukraine und anderen Ländern, einschließlich der nun offenen Diskussion über eine mögliche nukleare Eskalation, die von Wladimir Putin ausgelöst wurde, Scheinreferenden in der Ost-Ukraine, die Unterbrechung der Energielieferungen nach Europa durch Russland und viele andere Faktoren.
Das ist der perfekte Sturm.
In jüngster Zeit wurden der starke Einbruch des britischen Pfunds und der britischen Rentenmärkte sowie die Notwendigkeit, dass die Bank of England als allerletzte Bastion als Marketmaker am langen Ende des Gilt-Marktes für Staatsanleihen agieren muss (um einen drohenden Zusammenbruch der Vermögenswerte führender Pensionsfonds zu verhindern) teilweise als eine der vielen wirtschaftlichen Auswirkungen des Brexit gesehen. Die neue britische Premierministerin und ihr Schatzkanzler wurden von der Financial Times wegen der ökonomischen Naivität, die sie in ihrem ersten Haushalt zeigten, als „verrückt, schlecht und gefährlich” bezeichnet. Zuletzt hat die Rating-Agentur S&P der Kreditwürdigkeit Großbritanniens einen negativen Ausblick bescheinigt. Dunkle Wolken trüben schon den Flitterwochenhimmel – die neue britische Premierministerin steht bereits stark unter Druck, da die Opposition in den Umfragen die Konservative Partei rasch und brutal überholt hat. (Es hat nicht lange gedauert, bis die Regierung Großbritanniens den Haushaltsbeschluss, eine höhere Einkommensteuer für Besserverdiener einzuführen, wieder zurückgenommen hat.)
Wichtiger ist im weiteren Kontext die Frage, ob sich die Krise der britischen Pensionsfonds und ihre Auswirkungen auf andere Renten- und/oder Währungsmärkte ausweiten könnte, an denen Pensionsfonds ebenso stark fremdfinanziert und schlecht reguliert sind. Dies gilt es genau zu beobachten. Würde man nämlich dem britischen Modell folgen, so würde dies zu einer gleichzeitigen quantitativen Straffung und einer Wiederaufnahme der quantitativen Lockerung führen. Kein Wunder also, dass dies bei Beobachtern Verwirrung stiftet.
Was im gesamten bisherigen Jahresverlauf 2022 und vor allem in den letzten Monaten besonders deutlich hervortrat, war die starke Beschleunigung des externen Wertes des US-Dollars gegenüber den meisten gängigen Währungen. Der Dollar gilt jetzt als einziger sicherer Hafen, der Schutz vor den aktuellen Turbulenzen bietet. Abgesehen von den vielzitierten Zinsdifferenzen zwischen dem US-Dollar und anderen Währungen ist diese Beschleunigung auf das wohlbekannte Phänomen zurückzuführen, dass US-Anleger dazu neigen, nicht-US-Vermögenswerte in ihr Land zurückzuholen, wenn internationale Spannungen zunehmen.
Darüber hinaus gibt es die üblichen Verdächtigen, die nicht zögern, einmal mehr den drohenden Niedergang des Euro zu verkünden. Die stete Abwertung des Euro bis zur Parität mit dem US-Dollar und dem Schweizer Franken wird als Beginn des Endes der europäischen Gemeinschaftswährung bezeichnet – wie schon so oft in der Vergangenheit, untermauert mit verständlichen wirtschaftlichen Argumenten, denen es jedoch an finanzieller Realität mangelt. Selbst die neue italienische Regierung, der von vielen faschistische Tendenzen nachgesagt werden, hat klugerweise entschieden, sich nicht mit Brüssel anzulegen.
Die eklatante internationale Liquiditätskrise ist quasi das Markenzeichen der aktuell angespannten Lage an den globalen Finanzmärkten. Dies umzukehren, wird der entscheidende Faktor sein, um die Wogen zu glätten und das Vertrauen wiederherzustellen, vorausgesetzt, alle anderen Faktoren bleiben gleich. Wann diese Umkehr eintreten wird und was sie auslösen könnte, sind die heißen Diskussionsthemen unter Marktteilnehmern und Marktbeobachtern. Aber trotz der Vorhersagen von allen Seiten kann kein Anleger oder Beobachter eine Kristallkugel zu Rate ziehen. Stattdessen – wie schwierig dies auch immer für Anleger sein könnte, die bei den meisten Unternehmenskategorien starke Kursrückgänge hinnehmen mussten – ist ein langfristiger Ansatz seitens des Anlegers der sicherste Weg, sein Portfolio vor falschen Entscheidungen zu schützen, die zu dauerhaftem Kapitalverlust führen können.
In der Zwischenzeit befinden sich die Aktienmärkte und Anleihekurse jedoch in einem typischen Bärenmarkt, der in allen Bereichen nach unten geht. Bärenmärkte, sagen die alten Hasen, ziehen den Anlegern zwangsläufig das Geld aus der Tasche. Selbst die Aktienkurse der qualitativ hochwertigsten Unternehmen, wie z. B. Unternehmen mit Qualitätswachstum, werden mit dem Argument bestraft, dass die Margen eines Unternehmens in Zukunft umso anfälliger werden können, je solider diese Margen aktuell sind. Wenn die Margen niedrig sind und bereits Einbrüche erlebt haben, ist – so das aktuelle Mantra – das Sicherheitsnetz für den Anleger stärker, da der Schaden ja bereits entstanden ist. Dies stellt die Anlageregeln auf den Kopf.
Der Blick zurück stellt derzeit die größte Gefahr für Anleger dar, die in die besten Unternehmen der Welt investieren, und denen die Aktienkurse regelrecht hinweggeschmolzen sind – fortgespült von der allgemein vorherrschenden negativen Stimmung gegenüber allen Anlagekategorien. Abgesehen von vereinzelten Hedgefonds gab es keinen Ort, an dem man sich verstecken konnte, da die Inflation an der vermeintlichen Sicherheit nominaler Cash-Renditen nagt, während Aktien- und Anleihenkurse den eklatanten Rückgängen nicht entkommen konnten. (Selbst inflationsgeschützte Anleihen boten keinen nennenswerten Schutz).
Der Rückgang bei Aktien- und Anleihenkursen sowie die zunehmend negative Stimmung stellen für Anleger, Kommentatoren und Beobachter den Weg des geringsten Widerstandes dar. Jede konträre Haltung hat sich in diesem Jahr bislang als kostspieliger Irrweg erwiesen, vorerst jedenfalls.
Die größte Schwierigkeit besteht inzwischen darin, eine positive Haltung einzunehmen, sowohl generell als auch für Anleger, die insbesondere in Unternehmen mit Qualitätswachstum investieren. Die Aktienkurse letztgenannter Unternehmen sind wieder auf das Niveau gefallen, von dem aus sie in den letzten Jahren ihren Höhenflug angetreten haben. Doch während das Jahr 2022 in einem düsteren wirtschaftlichen Umfeld verläuft, haben Unternehmen mit Qualitätswachstum erneut bewiesen, warum sie dieses Etikett zurecht tragen – im Gegensatz zur Mehrzahl der börsennotierten Unternehmen weltweit.
Für den langfristig orientierten Anleger, der in Unternehmen mit Qualitätswachstum investiert, sind deren Kursrückgänge kein Warnsignal für eine drohende Verschlechterung ihrer überlegenen Eigenschaften.
Wie schwierig es auch sein mag, Anleger sollten immer daran denken, dass es die Aufgabe des Aktienmarktes ist, heute einen Preis für die Erträge von morgen festzulegen. Aber angesichts der aktuellen Lage machen die Märkte genau das nicht, da sie sich nicht auf die Chancen der Zukunft, sondern auf die Mühen von heute konzentrieren.
Daher sollte für den klugen Anleger das Fazit carpe diem lauten.
P. Seilern-Aspang
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