„Wer zwei Hasen gleichzeitig jagt, fängt keinen von beiden“ – Konfuzius
In Peter Seilerns jüngstem Newsletter geht er auf die turbulenten Ereignisse des letzten Monats ein: den Zusammenbruch der Silicon Valley Bank, die Rettung der Credit Suisse und was dies für die Zinssätze und die Märkte bedeutet. Er erinnert die Kunden auch daran, warum wir niemals in Banken investieren. In diesem Newsletter befasse ich mich mit dem allgemeineren Thema „Ausschlussprozess“ und erläutere, warum es für den langfristigen Kapitalschutz entscheidend ist.
Chancen zu verpassen, gehört zum Alltag eines globalen Investors. Während die Möglichkeit, in alle Sektoren des Aktienmarktes zu investieren, ein weites Spektrum darstellt, kann eben diese Weite zu einer oberflächlichen Analyse und letztlich schlechten langfristigen Renditen führen.
Seit über 30 Jahren zielt Seilerns Investmentphilosophie darauf, das Risiko dauerhaften Kapitalverlusts durch einen sehr selektiven Ausschlussprozess zu minimieren. Dies entspringt unserer Überzeugung, dass man nicht immer allen Ansprüchen genügen kann und überdurchschnittliche Renditen auf lange Sicht nicht nur davon abhängen, wo man investiert, sondern auch davon, wo man nicht investiert.
Seilerns 10 Goldenen Regeln bilden die Grundlage, ob ein Unternehmen unsere strengen Quality Growth Kriterien erfüllt. Ebenso wichtig ist, dass sie uns ein klares Bild vermitteln, warum ein Unternehmen nicht in die Kategorie Quality Growth fällt. Eindeutige Investment-Grundsätze sind ein wichtiges Instrument, das den Anlegern hilft, durch turbulente Zeiten wie diese zu navigieren. Vor allem aber tragen sie dazu bei, das Risiko einer Stilverschiebung („Style Drift“) zu verringern. Manager, die in Fonds investieren, z. B. im Rahmen einer Multi-Manager-Strategie, müssen sich auf absolute Stiltreue verlassen können, damit die Konsistenz ihrer Anlagestrategie gewährleistet bleibt.
Die richtige Auswahl ist entscheidend
Ein uneingeschränkt agierender, globaler Aktieninvestor kann sein Kapital in einem Universum von rund 57.000 börsennotierten Unternehmen einsetzen. Vielleicht wird ChatGPT eines Tages in der Lage sein, für alle diese Unternehmen Fundamentalanalysen in Echtzeit durchzuführen. Bis es so weit ist, muss sich jedoch der Mensch mit seinen vergleichsweise bescheidenen Möglichkeiten selbst um seinen Erfolg bemühen. Dazu gehört, die nicht qualifizierten Unternehmen auszuschließen. Doch wie?
Das Ausschlussverfahren von Seilern besteht aus mehreren Schritten, die sich direkt aus den 10 Goldenen Regeln ergeben. Zum Beispiel schliessen wir Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von weniger als 3 Mrd. USD aus, da wir täglich gehandelte Large-Cap-Fonds verwalten. Weil wir in den führenden OECD-Ländern mit ihren reifen Aktienmärkten Rechtsstaatlichkeit und gute Unternehmensführung erwarten, schliessen wir Unternehmen aus, die auf anderen Börsen notiert sind. Wir schließen Unternehmen mit schlechten betriebswirtschaftlichen und finanziellen Eigenschaften aus, wie zum Beispiel geringem Wachstum, niedrigen Margen, niedrigen Renditen auf das investierte Kapital und zu hoher Verschuldung. Des Weiteren schließen wir Unternehmen aus, die nicht mindestens eine dreijährige Erfolgsbilanz seit dem Börsengang vorweisen können. Und wir schliessen ganze Sektoren aus, wenn sie unseren Quality Growth Kriterien nicht entsprechen.
Mit dieser letzten Phase des Ausschlussprozesses werden wir uns im Folgenden eingehender befassen. Den Ungeduldigen sei schon gesagt, dass sich das investierbare Universum durch den Ausschluss ganzer Sektoren bereits von etwa 57.000 Unternehmen auf etwa 500 Unternehmen reduziert. Wir schliessen also bereits über 99 Prozent des börsennotierten globalen Aktienmarktes aus, bevor wir mit unserer Bottom-up-Analyse beginnen.
Man mag einwenden, dass einem auf diese Art viele Anlagechancen entgehen. Unsere langjährige Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass ein reines Quality Growth Unternehmen höchstwahrscheinlich in dieser konzentrierten Liste zu finden sein wird. Uns geht es bei Quality Growth Investments darum, auch durch Fokussierung das Risiko zu verringern und die Ertragswahrscheinlichkeit zu erhöhen, statt auf alle Pferde zu setzen.
Aus obiger Liste von etwa 500 Unternehmen schließt unser Investment-Team in einem nächsten Schritt anhand von Fundamentalanalysen mindestens weitere 90 Prozent der Unternehmen aus. Daraus ergibt unser „Seilern-Universum“ – eine Liste von 50 bis 70 reinen Quality Growth Unternehmen aus der ganzen Welt. Diese Liste wird vom gesamten Investment-Team einstimmig genehmigt.
Was ist Quality Growth – und was nicht?
Während in der Welt der Anleger subjektiv beurteilt werden kann, was Quality Growth bedeutet, haben wir diese Anlageklasse bereits bei Gründung unseres Unternehmens klar definiert, um den Auswahlprozess zu objektivieren. Bestimmte Wirtschaftssektoren verändern sich über lange Zeiträume, entweder in Richtung unserer Quality Growth Kriterien oder entgegengesetzt. Es gibt aber auch Sektoren, die in den letzten 10 bis 15 Jahren konsequent nicht unsere Quality Growth Kriterien erfüllt haben. Im Folgenden stellen wir einige der zuletzt genannten Sektoren vor und nennen Gründe, warum sie unsere 10 Goldenen Regeln nicht erfüllen. (Liste und Gründe sind. nicht erschöpfend.)
Bankwesen. Eine Bank verdient Geld, indem sie Einlagen auf kurze Sicht aufnimmt und Kredite auf lange Sicht vergibt – in der Hoffnung, eine große Spanne zwischen Einlagen- und Darlehenszinsen zu erzielen. Sie ist daher den zyklischen Schwankungen der Zinsstrukturkurve ausgesetzt, was bedeutet, dass sie wenig Preismacht besitzt. Darüber hinaus leiten traditionelle Banken ihre künftigen Cashflows aus dem Zeitwert ihres Kreditbestands in der Bilanz ab. Solche Bilanzpositionen sind schwer zu bewerten, was die Transparenz der Rechnungslegung erheblich einschränkt. Wenn es zu finanziellem Stress kommt, kann diese Undurchsichtigkeit zusammen mit einem stark fremdfinanzierten Geschäftsmodell schnell zu Insolvenzen führen.
Energie, Bergbau und Rohstoffe. Man mag argumentieren, dass die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie langfristige strukturelle Wachstumstreiber sind. Ähnlich wie die Banken sind jedoch auch die Unternehmen dieser Branchen den globalen Ungleichgewichten von Angebot und Nachfrage ausgesetzt. Da es kaum Produktdifferenzierung gibt (schließlich spricht man nicht umsonst von „Roh“-Stoffen), entzieht sich die Preisgestaltung ihrer Kontrolle. Dies führt langfristig zu einer schlechten Kapitalrendite, weil die Investitionsausgaben auf dem Höhepunkt des Zyklus oft am höchsten sind.
Versorger. Die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen spielt in der Weltwirtschaft eine entscheidende Rolle. Der regulierte Charakter von Versorgungsunternehmen führt jedoch zu einer suboptimalen Kapitalallokation. Ihre Kapitalrenditen sind häufig nach oben begrenzt und werden durch das Finanzierungsumfeld wesentlich bestimmt. Die kapitalintensiven Geschäftsmodelle sind hochgradig fremdfinanziert und auf das Vertrauen gestützt, dass regulatorische Veränderungen die Erwirtschaftung überschüssiger freier Cashflows nicht dauerhaft gefährden werden.
Telekommunikation. Um es kurz zu machen: Für die Telekommunikationsbranche gibt es nicht viele langfristige und konjunkturunabhängige, strukturelle Wachstumstreiber. Es handelt sich hier um Unternehmen, die auf außerordentlich wettbewerbsintensiven Märkten tätig sind und über eine sehr geringe Preismacht sowie hochgradig fremdfinanzierte Bilanzen verfügen. Dazu sind sie in der Regel noch stark reguliert, weil Telekommunikationsinfrastruktur für die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung ist. Daher kann Kapital in diesem Sektor nicht effizient eingesetzt werden.
Immobilien. Immobiliengesellschaften und Real Estate Investment Trusts (REITs) sind naturgemäß in einer hochgradig zyklischen Branche tätig, die durch das typische Auf und Ab von schwankenden Immobilienpreisen, Vermietungsquoten und hoher Verschuldung gekennzeichnet ist. REITs müssen außerdem gemäß den gesetzlichen Vorschriften mindestens 90 Prozent ihrer steuerpflichtigen Gewinne in Form von Dividenden an die Aktionäre ausschütten Überschüssiges Kapital kann daher nicht effektiv für Wachstumschancen eingesetzt werden.
Schwerindustrie. Diese Kategorie umfasst eine breite Palette von Sektoren, z. B. Verkehr und Bauwesen. Das gemeinsame Merkmal ist der hohe Kapitalbedarf zur Finanzierung künftigen Wachstums. Das Kapital schafft zwar hohe Marktzugangsbeschränkungen für Konkurrenten, wird aber in der Regel zu ungünstigen Zeitpunkten eingesetzt, da es in hohem Maße mit dem allgemeinen Wirtschaftszyklus korreliert. Die Luftfahrtindustrie ist ein Beispiel für kontinuierliche Kapitalvernichtung in dieser Kategorie.
Fazit
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der obigen Liste liegen auf der Hand. Quality Growth Investitionen konzentrieren sich auf Branchen mit langfristigem, nicht zyklischem Wachstum, welche die besten Qualitätsmerkmale aufweisen, die Anleger vor einem dauerhaften Kapitalverlust schützen sollen. Wir ändern diese Definition nicht zugunsten von Timing-Strategien bei schwankenden Märkten. Vielmehr tragen unsere strikten Sektorausschlüsse dazu bei, das Risiko einer Stilverschiebung zu verringern und uns darauf zu fokussieren, Unternehmen mit nachhaltigem Gewinnwachstum über Zyklen hinweg, statt innerhalb von Zyklen zu finden.
Auch wenn wir in der Vergangenheit zweifellos viele kurzfristige Anlagemöglichkeiten verpasst haben und dies wahrscheinlich auch in Zukunft der Fall sein wird, sind wir der festen Überzeugung, dass der beste Weg, das Vermögen unserer Kunden langfristig zu vermehren und zu schützen, darin besteht, so selektiv und diszipliniert wie möglich vorzugehen. In der Tat konnten wir so hervorragende und langfristig stabile Renditen für unsere Kunden erwirtschaften. Die am längsten laufende Anteilsklasse unserer Fonds hat seit der Auflegung im Jahr 1996 eine annualisierte Rendite von +7,6 Prozent1 im Vergleich zur Rendite des MSCI World Index von +5,6 Prozent2 erzielt.
Während wir dank unseres Ausschlussverfahrens die Entwicklung unserer Fonds in verschiedenen Marktsituationen gut nachvollziehen können, können wir in Jahren, in denen zyklische Sektoren gut abschneiden, nur wenig tun, denn dieses würde zu einer Verschiebung unseres Anlagestils führen, was nicht im Interesse unserer Investoren wäre (siehe S. 1). Ein Anleger im Jahr 2021 hätte sich wahrscheinlich gefreut, nicht in Banken und Energieunternehmen investiert zu sein – im Jahr 2022 hätte er sich genau darüber wahrscheinlich geärgert. Jetzt haben wir 2023 und es scheint, als hätte sich vor unseren Augen eine weitere Kehrtwende vollzogen.
Auch wenn solche Drehungen und Wendungen große Auswirkungen auf die kurzfristige Performance haben können, ist es immer unser Ziel gewesen, möglichst reine Quality Growth Portfolios zu schaffen und Kontinuität zu gewährleisten, damit unsere Kunden genau wissen, worin sie investieren. Schlussendlich ist es eine klar definierte Philosophie, die auf wiederholbare, prozessgesteuerte Art und Weise umgesetzt werden kann, die den wahren Quality Growth Investor ausmacht.
M. Lo Blanco,
31. März 2023
1Seilern World Growth Anteilsklasse CHF Retail Hedged in CHF, 15.01.1996 – 31.03.2023 (27,2 Jahre).
2MSCI World Total Return in CHF, 15.01.1996 – 31.03.2023 (27,2 Jahre).
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